Endlich wurde dieses psychedelische Krautrock-Kleinod wiederveröffentlicht, dummerweise nicht mit dem Orginal-Cover. Wäre es damals auf dem Pilz- oder Ohr-Label erschienen, wäre es sicher berühmt geworden. Man sollte sich nicht vom Party-Charakter des Original-Covers abschrecken lassen. Wenn überhaupt Party, dann war es sicher eine LSD-Party:-). (Rudi Vogel alias green-brain)
"Fantastic Party", das größte Geheimnis der Krautrockgeschichte! "Die Tanzplatte für heiße Stunden!", steht da auf der LP zu lesen, "Staff Carpenborg and The Electric Corona". Staff Carpenborg hieß (oder heißt ) angeblich Paul Bucher. Wer sich hinter The Electric Corona verbirgt ist nicht bekannt.
1970 erschien diese LP auf dem Maritim-Label - soviel ist gesichert - das ansonsten eher für lockere Unterhaltung, Schmalspur-Swing à la James Last und Humba-Tätärä-Bierzeltmuzak (wie im Beiheft des CD-Reissues von "Fantastic Party" zu lesen ist) zuständig war. "Fantastic Party" wurde als Tanzplatte angepriesen. Ich vermute aber, selbst 1970 muss das eine reichlich bizarre Party gewesen sein, auf der diese Scheibe gut angekommen wäre. "Fantastic Party" bietet Krautrock pur, ein seltsames psychedelisch-progressives Durcheinander, wie man es vielleicht von einer Kreuzung aus The Can, den frühen Pink Floyd und Amon Düül II erwarten könnte.
"All Men Shall Be Brothers Of Ludwig" erinnert z.B. an Can, an "Mushroom" von "Tago Mago". Motorisch-monoton dahinschreitende Rhythmen, ein dahinhüpfender Bass, schräge Orgeleinlagen, Gitarrengeplinge und einige verhaltene Elektronikspielereien gibt es da zu hören. Eingestreut in das Ganze sind zudem diverse Anspielungen an Beethovens 5. Symphonie. Ähnlich eigenartig und schräg ist der Rest des Albums. Psychedelisch-elektronisch-krautige Seltsamkeiten kommen hier aus den Boxen, bestimmt von E-Gitarre, Bass, Orgel, Perkussion (Vibraphon und allerlei Glockiges) und Schlagzeug, gelegentlich verziert mit Einlagen an Flöte und Sax und einigen wenigen Gesangseinlagen. Recht rhythmisch und treibend ist das die Musik organisiert, zum Tanzen eben. Für Tänzer allerdings, die sich vorher mit entsprechenden bewusstseinserweiternden Substanzen präpariert haben. Durchgeknallt und "stoned" wird hier musiziert, dabei aber sehr einfallsreich und qualitätvoll. Die Musiker und der Produzent verstanden ihr Handwerk. Von Dilettantismus keine Spur.
Wer hier musiziert ist wie gesagt unbekannt (bis auf die wahre Identität des Herrn Carpenborg). Die Klangqualität ist gut, die Scheibe ist sehr druckvoll produziert, was Spekulationen gefördert hat, dass das Ganze eine Fälschung ist, ein Pseudo-Krautrock, produziert irgendwann in den 90er Jahren. So etwas hat es in der Tat gegeben (man nehme z.B. die angeblich in den 70er Jahren entstandenen Einspielungen der Cozmic Corridors, von The Nazgul, Golem oder Temple, die auf dem Pyramid-Label erschienen sind), doch Staff Carpenbourg and The Electric Corona sind echt. Die LP hat es wirklich gegeben. Die Abbildung des scheusslichen Originalcovers unter der CD-Halterung belegt dies (für die CD wurde ein neues Cover entworfen) und Knacken und Knistern sind nicht zu überhören (für die CD-Produktion hat offenbar eine gut erhaltene LP als Vorlage gedient). Es könnte durchaus sein, dass hier bekanntere Krautrocker anonym am Werke waren. Wer weiß.
Die Bonusnummer stammt übrigens von einer anderen Maritim-LP. Hier sind angeblich Ken James & The Rockers zu hören, wer auch immer das gewesen sein mag. Die LP bietet sonst Dixieland-Jazz, nur "Afro Rock" klingt völlig anders. Die Nummer scheint eher der Carpenborg-Session zu entstammen. In der Tat passt das Stück sehr gut hier rein. Die Macher von Daily Records (dort ist dieses CD-Reissue erschienen), vermuten jedenfalls, dass die Nummer von der Band stammt. Sicher sind sie sich nicht.
Wer die experimentell-seltsame Seite des Krautrock schätzt, der sollte hier zuschlagen! (Quelle: www.babyblaue-seiten.de, Achim Breiling)
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