"Tarot" war das erste Album, welches auf Rolf-Ulrich Kaisers Kosmische Kuriere-Label erschienen ist. Im Dezember 1972 bat Kaiser einige Musiker in Dieter Dierks Studio, um den Tarot-Zyklus des schweizer Malers Walter Wegmüller in Töne zu setzen. Darunter waren so illuster Krautrockikonen wie Manuel Goettsching (Ash Ra Tempel, Ashra), Jürgen Dollase und Harald Grosskopf (Wallenstein), Walter Westrupp (von Witthüser & Westrupp) und Klaus Schulze. Das Ergebnis ist so etwas wie ein Muster dessen, was man sich unter "Kosmischer Musik" vorzustellen hat, inklusive der esoterischen Komponente, die meiner Meinung nach dem Ganzen einen ziemlich drolligen Anstrich verleiht.
In musikalischer Hinsicht wird hier ein Aufguss dessen geboten, was man seit 1969 als Krautrock vorgesetzt bekommen hat. Psychedelische Hardrockjams, Elektronikgewaber, Westcoastartiges, Protoprogorgelexzesse, Floydiges, folkiges Geschrammel, Spacerock, freiformatiger, verhaltener Lärm, romantisch-elegisches Geklimper, bluesiger Rock, klangvoller Symphoprog, entspannte Klangwolken und halluzinogene Klangwände. Das ist eigentlich ganz nett gemacht, recht abwechslungsreich und manchmal durchaus beeindruckend. Ein wenig glattgebügelt und ausgepolstert wirkt die Musik allerdings, als dürfe nichts den im Nirwana hängenden Hörer wirklich stören. Zudem ist das Ganze etwas arg lang geraten.
Was diese Scheibe aber wirklich einzigartig macht, sind die Beiträge mit menschlicher Stimme. Da gibt es hallend-mysteriöse Vokaleinlagen, es werden tiefsinnige Weisheiten in Schweizerdeutsch vorgetragen, es wird bedeutungsschwer geflüstert, gedehnt rezitiert, entspannt geplaudert und zugedröhnt gestammelt. Kurzum: Köstlich! Eine gelungene Parodie auf esoterische Klangpredigten! Ach, das war damals ernst gemeint? Tja ...
"Tarot" ist eine dieser "Kultplatten" (als die sie wohl vor allem ausserhalb Deutschlands - in manchen Kreisen - wirklich gilt), die in musikalischer Hinsicht nur Durchschnittliches bieten, die aber aus irgendeinem Grund dann doch wieder fast gut sind, zumindest interessant als historisches Dokument, oder einfach nur totkomisch. Wer den kosmischen Zeitgeist der frühen 70er spüren möchte, oder wer sich für Krautrock interessiert und einfach einmal ausgiebig schmunzeln möchte, der könnte hier zuschlagen. Na gut, eine CD davon hätte auch gereicht. Der wahre Fan sucht übrigens nach der "Limited edition", inklusive Wegmüllers Buch und den Tarotkarten zur Musik! (Quelle: www.babyblaue-seiten.de, Achim Breiling) |